Systemische Beratung und Therapie
Die systemische Herangehensweise an Beratung und Therapie geht davon aus, dass das Verhalten von Menschen oft nur nachvollziehbar wird, wenn wir es im Zusammenhang mit den anderen Beteiligten
sehen.
Stellen Sie sich einmal vor, Sie wären von einem anderen Stern und wüssten nicht, was Fußball ist. Und stellen Sie sich weiterhin einmal vor, 21 von den 22 Spielern und auch die Zuschauer,
Schieds- und Linienrichter sowie der Ball wären nicht sichtbar und auch nicht zu hören. Was könnten Sie beobachten? Sie sehen, wie ein Mensch eine Rasenfläche betritt und plötzlich anfängt, hin-
und herzulaufen, nach irgendetwas zu treten, sich hinzuwerfen, wieder aufzustehen, bis er nach 45 Minuten plötzlich die Rasenfläche verlässt. Könnten Sie das Verhalten dieses Menschen erklären?
Was macht er denn da?
Das Verhalten wird erst nachvollziehbar, wenn in der 2. Halbzeit alle sicht- und hörbar sind, auch der Ball, und wenn Sie die Regeln des Spiels kennen.
(In Anlehnung an das Kapitel "Die Rolle des Beobachters" aus dem Buch "Meine Psychose, mein Fahrrad und ich" von Fritz B. Simon)
Die Aufmerksamkeit wird also vom Einzelnen hin zum sozialen System, in dem dieser lebt, verlagert. Ich schaue auf die Beziehungen zwischen den Beteiligten. Wenn der Zweck des (Problem-)
Verhaltens erkennbar wird, dann können Lösungen gefunden werden.
Jeder Mensch trachtet danach zu (über)leben, zu wachsen und nahe bei anderen zu sein. Alles Verhalten drückt diese Zeile aus, unabhängig davon, wie gestört es
erscheinen mag… Das, was die Gesellschaft krankes, verrücktes, dummes oder schlechtes Verhalten nennt, ist in Wirklichkeit der Versuch seitens des ge-kränk-ten Menschen, die bestehende Verwirrung
zu signalisieren und um Hilfe zu rufen“… – Virginia Satir –
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein Problem zu verstehen. Die klassischen Therapieformen sehen ein Problem als eine Wirkung, die eine Ursache haben muss. Diese Ursache vermutet man dann in
der Vergangenheit und sucht danach (problemorientierter Ansatz).
Der lösungsorientierte Ansatz, nach dem ich arbeite, unterscheidet sich davon, weil nicht danach gefragt wird, woran das alles läge, sondern danach, was die Beteiligten verbessern möchten. Ich
schaue also nicht auf das woher (Vergangenheit) sondern auf das wohin (Ziel, gewünschter Zustand).
Die Geschichte von „Alice im Wunderland“ von Lewis Carroll beschreibt diese Haltung.
Alice hat ein Problem. Sie steht an einer Wegkreuzung an der 5 Wege abgehen. Im Baum sitzt eine Tigerkatze. Alice fragt die Tigerkatze: „Tigerkatze, bitte sage mir, welchen Weg ich nehmen soll?“
Die Tigerkatze antwortet: „Nun, das hängt im wesentlichen davon ab, wo du hin willst.“ Alice erwidert: „Ja, das weiß ich doch auch nicht.“ Darauf sagt die Tigerkatze: „Dann ist es egal, welchen
Weg Du nimmst.“
Hilft es Alice, zurück zu schauen und sich zu fragen, wie sie in diese Situation gekommen ist? Wahrscheinlich nicht. Auf der anderen Seite ist es manchmal auch nicht einfach, genau zu sagen, wo
man hin will, wie die gewünschte Verbesserung aussehen soll. Das kann das Thema unserer ersten Sitzung sein.
Wir können jederzeit etwas Neues lernen, vorausgesetzt wir glauben, dass wir es können. – Virginia Satir –